Die Hochsicherheits-Reithalle – Wie der Staat an Daniela Klette ein Exempel statuieren will

Ein Beitrag von Ian Nadge

Es sagt viel über den Zustand eines Staates aus, wenn er eine für mehrere Millionen umgebaute Reithalle braucht, um eine 66-jährige Frau vor Gericht zu stellen. Stacheldraht, gepanzerte Fahrzeuge, bewaffnete Spezialeinheiten – eine Kulisse wie für einen Anti-Terror-Einsatz, nur dass hier niemand eine Geisel hält, niemand Bomben legt und niemand ein Kommando plant, vor Gericht steht einfach Daniela Klette. Auch werden solidarische Unterstützer*innen kriminalisiert, mit Zeug*innenvorladungen bedacht und unter Druck gesetzt (Rote Hilfe, 2024). Der Staat versucht fieberhaft, aus diesem Prozess das zu machen, was er heute am dringendsten braucht: ein Feindbild.

Man kann viel über die RAF sagen, und der historische Abstand macht es einfach, sich moralisch zu wappnen. Aber was hier in Verden passiert, ist etwas anderes: ein politischer Nachbrenner, der nicht mehr der Aufarbeitung dient, sondern der Abschreckung. Der Prozess gegen Daniela Klette soll vor allem eines zeigen: Dass der Staat die Deutungshoheit über linke Geschichte besitzt – und dass Widerstand, auch Jahrzehnte später, nicht vergeben, sondern verwaltet wird. Dabei zerbröselt die Anklage fast komplett. Die Mitgliedschaft in der RAF, die ihr vorgeworfen wurde, ist schon lange verjährt– nun fällt auch die großartig angekündigte Mordanklage, die sich bei näherem Hinsehen als juristisches Papiertigerlein erwies. Aber anstatt sich dieser Realität zu stellen, wird das Theater einfach weitergespielt. Der Staat hat sich die Rolle der „ungebrochenen Autorität“ ausgesucht, und nun muss die Choreografie durchgetanzt werden – egal, wie dünn das Skript inzwischen geworden ist. Die mediale Erzählung von der „RAF 2.0“ ist dafür der passende Soundtrack. Eine leere Hülle, aber doch stabil genug, um das Publikum bei Laune zu halten.

Dabei zeigt sich schnell: Klette ist hier weniger Angeklagte als Symbol, das die staatlichen Neurosen der Gegenwart repräsentieren soll. Sie wird mit irrsinnigen Sicherheitsmaßnahmen belegt, die mit der tatsächlichen Gefahrensituation ungefähr so viel zu tun haben wie eine Bundeswehrpressekonferenz mit Friedenspolitik. Das Solidarische an dieser Stelle ist schlicht eine Frage der Klarheit: Daniela Klette ist kein Dämon, sie ist ein Mensch. Ein Mensch, der jahrzehntelang kriminalisiert und verfolgt wurde, dessen gesamte Biografie im Schatten eines staatlich verwalteten Mythos steht. Der Prozess behandelt sie nicht als Subjekt, sondern als Material – als dingfesten Beweis dafür, dass der Staat gegen alles Linke, Radikale, Widerständige eine unverjährbare Feindschaft pflegt.

Und genau deshalb ist Solidarität hier kein Pathos, sondern eine politische Notwendigkeit. Denn während bei rechten Netzwerken in Polizei, Bundeswehr und Parlament eine merkwürdige Amnesie des Rechtsstaats einsetzt – Akten verschwinden, Verfahren im Sand enden und Verantwortliche „versetzt“ werden –, fährt man bei Klette das gesamte sicherheitspolitische Arsenal auf, als drohe der revolutionäre Bürgerkrieg hinter jeder Supermarktkasse. Die Ungleichmäßigkeit könnte grotesker nicht sein. Der Prozess gegen Daniela Klette zeigt vor allem eines: Die staatliche Inszenierung dient weniger der Strafverfolgung als der Machtdemonstration. Klette ist ein Mensch, der jahrzehntelang kriminalisiert wurde, und ihre Behandlung offenbart die Mechanismen politischer Repression in der Gegenwart. Solidarität ist daher nicht nur moralisch, sondern politisch notwendig, um Repression sichtbar zu machen, die Isolation zu durchbrechen und die Rechte linker Bewegungen zu verteidigen. die am deutlichsten an der herrschenden Ordnung rütteln.

Gegen staatliche Repressionsshow, für politische Würde und Selbstbestimmung!

Autor*innenprofil

  • Ian Nadge ist Mitglied im Landessprecher*innenrat der akl-nds. Er beschäftigt sich mit dem Spannungsfeld zwischen Materialismus und Faschismus. Er beobachtet mit Sorge, wie der Neoliberalismus fortschreitend Faschismus und staatlich sanktionierten Autoritarismus als Krisenmodus instrumentalisiert. Weitere Artikel:
  • Willkommen im Lager – Die Renaissance der deutschen Abschiebekultur

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