Berufsverbot 2.0 – Jetzt mit Demokratie-Filter!

Rheinland-Pfalz macht vor, wie Meinungsfreiheit ganz einfach wieder zur Sicherheitsfrage erklärt wird

Willkommen im neuen Level der „wehrhaften Demokratie“: Unter dem Vorwand, endlich konsequent gegen Rechtsextreme im Staatsdienst vorzugehen, führt die SPD-geführte Landesregierung in Rheinland-Pfalz eine Regel ein, die in der Praxis vor allem eins bedeutet: Ein Berufsverbot für linke, progressive und systemkritische Menschen – getarnt als Loyalitätsprüfung.

Wer sich in Zukunft in Rheinland -Pfalz beim Staat bewerben will – als Lehrkraft, Sozialarbeiter*in, Verwaltungsmitarbeiter*in oder Polizist*in – muss schriftlich erklären, in den letzten fünf Jahren keiner „verfassungsfeindlichen Organisation“ angehört zu haben. Und damit ist natürlich nicht so sehr die AfD gemeint – das wäre ja zu einfach. Denn entschieden wird das nicht etwa durch Gerichte, sondern durch den Verfassungsschutz. Genau, dieselbe Behörde, die sich bei NSU-Ermittlungen vor allem durch Aktenvernichtung hervorgetan hat und jahrelang V-Leute in Nazi-Strukturen besser schützte als deren Opfer.

Und wer steht nun auf den Listen dieser „gefährlichen Gruppen“? Eine Best-of Liste linker Zivilgesellschaft:

  • Die Rote Hilfe – eine Solidaritätsorganisation für politisch Verfolgte, regelmäßig Zielscheibe staatlicher Hetze.
  • Interventionistische Linke (IL) – bekannt für Klimaproteste und Antifa-Arbeit, nicht für Anschläge.
  • Ende Gelände – Blockaden gegen Kohle, also echte Terrorgefahr für Braunkohlekonzerne.
  • Kurdische Vereine – weil Selbstverwaltung in Rojava offenbar bedrohlicher ist als Reichsbürger in Uniform.
  • Antifaschistische Gruppen – wer sich dem realen Faschismus entgegenstellt, wird zur Bedrohung erklärt.
  • Gewerkschaftsnahe Initiativen mit zu viel Klassenbewusstsein – gefährlich, weil sie daran erinnern, dass Ausbeutung kein Naturgesetz ist.
  • Klimaaktivist*innen und Umweltschützer*innen – denn der Planet darf ruhig brennen, Hauptsache, das System bleibt kühl.

Wer also in den letzten fünf Jahren bei einer der oben genannten Gruppen mitgemacht, Plakate geklebt oder auf einer Demo nicht schnell genug „Nein“ gesagt hat, wenn jemand „Systemwandel“ rief, darf demnächst keine Verwaltungsmail mehr schreiben. Willkommen in der Demokratie™.

Verfassungsschutz als Schiedsrichter – rechter geht’s nicht

Dass ausgerechnet der Verfassungsschutz definiert, wer verfassungsfeindlich ist, wäre lustig, wenn es nicht so bitter wäre. Diese Behörde entscheidet nicht neutral – sie entscheidet politisch. Ihre Geschichte ist durchzogen von rechter Verharmlosung und antifaschistischer Kriminalisierung. Und nun bekommt sie die Macht, Menschen aus dem Staatsdienst fernzuhalten, deren größtes „Verbrechen“ es ist, sich für Gerechtigkeit, Klimaschutz, Antirassismus oder Antikapitalismus einzusetzen.

Rückfall in die 1970er – aber mit Regenbogenlogo

Was hier passiert, ist kein Ausrutscher. Es ist ein Déjà-vu mit Absicht. Schon in den 1970ern wurden unter dem „Radikalenerlass“ über 1.200 Menschen aus dem öffentlichen Dienst verbannt – nicht weil sie Gewalt ausübten, sondern weil sie in der DKP waren oder gegen den NATO-Doppelbeschluss demonstrierten. Heute heißt das Ganze „Verfassungstreuepflicht“, aber das Ergebnis ist dasselbe: politische Säuberung. Nur diesmal mit Gendersternchen und progressivem Image.

Der Staat will keine Neutralität – er will Gehorsam

Der bürgerliche Staat gibt sich gern als neutraler Schiedsrichter. In Wirklichkeit ist er ein ideologisches Machtinstrument – ein Klassenstaat mit demokratischer Maske. Seine sogenannte „Neutralität“ besteht darin, linke Kritik zu delegitimieren und rechte Tendenzen zu verwalten. Wer sich gegen Kapitalismus, Rassismus, Überwachung oder Polizeigewalt organisiert, wird nicht als Demokrat*in anerkannt, sondern als Gefahr eingestuft.

Und während die AfD sich über Parlamente in den Staatsapparat einrichtet, werden diejenigen, die sich ihr entgegenstellen, ausgesiebt. Das nennt man dann „wehrhaft“ – und meint damit: „systemtreu“.

Die SPD hat Muffensausen – und ballert nach links

Dass dieser Vorstoß ausgerechnet von der SPD kommt, ist tragisch, aber nicht überraschend. Eine Partei, die sich selbst leergeräumt hat, klammert sich nun an autoritäre Werkzeuge, um Kontrolle zurückzugewinnen. In Rheinland-Pfalz liegt sie in Umfragen hinter CDU und AfD. Was macht man also? Statt soziale Gerechtigkeit zu liefern, wird politische Gesinnung kontrolliert. Der autoritäre Reflex erlebt ein Comeback – diesmal nicht mit Stahlhelm, sondern mit Diversity-Workshop.

Was tun, wenn die Demokratie dich rausschmeißen will?

  1. Laut bleiben.
    Die Heuchelei beim Namen nennen: Wer Repression als Demokratie verkauft, lügt.
  2. Solidarisch sein.
    Unterstützt die, die betroffen sind – ob juristisch, politisch oder emotional.
  3. Erinnern.
    Der Radikalenerlass war kein Einzelfall, sondern Teil der Staatslogik.
  4. Juristisch gegenhalten.
    Wo möglich, klagen, anprangern, Öffentlichkeit schaffen.
  5. Nicht schweigen.
    Denn das Ziel ist klar: Einschüchterung. Unsere Antwort? Organisierung.

Fazit: Wer diese Demokratie retten will, muss sie überschreiten

Der Skandal ist nicht, dass es radikale Menschen gibt. Der Skandal ist, dass es radikale Menschen braucht, um die Grundlagen von Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde überhaupt noch zu verteidigen – gegen einen Staat, der sich demokratisch nennt, aber sich ideologisch abschottet wie ein Konzernvorstand.

Solange dieser Staat Eigentum über Menschen stellt, Profit über Klima, Sicherheit über Solidarität –
solange ist Widerstand keine Option, sondern Pflicht.
Und wer dabei zusehen will, wie man Demokratie mit Formularen stranguliert, soll bitte nicht vom „Rechtsstaat“ reden.

Autor: Ian Nadge

Hinweis: Dieser Beitrag stellt die Meinung der Autor*in dar und muss nicht mit den Positionen der AKL Niedersachsen übereinstimmen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert