Ein Beitrag von Ian Nadge
Katharina Dahme und Sabine Ritter fordern, Die Linke solle sich als „antifaschistische Bündnispartei“ positionieren. Diese Forderung wirkt auf den ersten Blick naheliegend – angesichts rechter Mobilisierungen, wachsender gesellschaftlicher Polarisierung und realer autoritärer Gefahr. Doch bei näherer Analyse zeigt sich: Ihr Antifaschismusverständnis ist historisch verkürzt und erscheint erschreckend staatstragend und systemimmanent.
Insbesondere fehlt die grundlegende Einsicht, dass Antifaschismus nicht primär ein Regierungsprojekt, sondern ein gesellschaftliches Korrektiv und Ausdruck widerständiger Selbstorganisierung von unten ist. In dem Beitrag wird Antifaschismus reduziert auf parteipolitische Bündnisfähigkeit – eingebettet in ein Bündnisspektrum, das selbst an autoritären Verschärfungen mitwirkt oder mitgewirkt hat.
Dahme und Ritter warnen vor einem möglichen „autoritären Umbau“ durch die AfD. Diese Warnung ist berechtigt – aber schlicht zu spät. Der autoritäre Umbau ist keine Zukunftsmusik, sondern Realität – und zwar unter der Ampelregierung selbst.
Beispielhaft zu nennen sind:
- fortschreitende Verschärfungen repressiver Polizeigesetze,
- gezielte Kriminalisierung sozialer Bewegungen (z. B. Klimaaktivist*innen, PPro-Palestina Bewegung, etc.) ,
- Ausweitung staatlicher Überwachungsbefugnisse,
- Abschiebepraxis selbst in Kriegsgebiete – auch unter Beteiligung bürgerlicher Parteien.
Der autoritäre Staat kommt heute nicht in Uniform, sondern in der Sprache von Sicherheit, Ordnung und Effizienz – verabschiedet mit Parlamentsmehrheit und Koalitionsmandat. Die reale autoritäre Transformation ist also längst im Gange – auf den Weg gebracht durch jene Kräfte, mit denen Die Linke nun angeblich gemeinsam antifaschistisch handeln soll.
Faschismus ist kein „Unfall“ der Geschichte, sondern eine funktionale Reaktion auf die strukturellen Krisen kapitalistischer Gesellschaften. Er tritt dort auf, wo der neoliberale Staat an Legitimität verliert und die Herrschaftsverhältnisse ins Wanken geraten.
Ein Antifaschismus, der diese systemische Verwobenheit nicht erkennt, sondern die extreme Rechte als bloßes „externes Problem“ betrachtet, verliert seine subversive Kraft. Wer „Antifa“ ruft, aber das Bestehende verteidigt, betreibt politische Kosmetik – nicht gesellschaftliche Veränderung.
Besonders gravierend ist die vollständige Ausblendung der ökologischen Krise im Artikel. Dabei ist die Klimakatastrophe ein zentraler Treiber autoritärer Entwicklungen: von Ressourcenkonflikten über Grenzregime bis zur Legitimation wachsender Repression gegen Bewegungen.
Ein glaubwürdiger Antifaschismus im 21. Jahrhundert muss radikal ökologisch sein – oder er bleibt rückwärtsgewandt. Die Grünen, mit denen sich Die Linke in Regierungsverantwortung wiederholt verbündet, haben längst bewiesen, dass sie bereit sind, Wälder zu roden, LNG-Terminals zu bauen und militarisierte Klimapolitik zu betreiben. Bündnispolitik mit ihnen ist kein Fortschritt – sondern Teil des Problems.
Regierungsbeteiligung der Linken: Eine ernüchternde Bilanz
Die praktische Regierungsbeteiligung der Linken zeigt, wie schnell linke Prinzipien geopfert werden, sobald man am Kabinettstisch sitzt:
- Berlin: Zwangsräumungen, Abschiebungen, Blockade des Volksentscheids zur Vergesellschaftung großer Wohnkonzerne.
- Thüringen: Ramelow ließ abschieben und verwaltete – Symbolpolitik ersetzte Systemkritik.
- Bremen: Sozialabbau mit linkem Etikett und Milliarden für den militärisch-industriellen Komplex wurden durchgewunken.
Fazit: Wer regiert, stabilisiert – und wer stabilisiert, verliert die Fähigkeit zur grundsätzlichen Veränderung.
Ein ernst gemeinter Antifaschismus braucht nicht mehr Staat, sondern mehr Widerstand, nicht institutionelle Einbindung, sondern emanzipatorischen Bruch mit den bestehenden Verhältnissen. Er muss:
- radikal ökologisch sein,
- antikapitalistisch in seiner Analyse,
- und solidarisch in seiner Praxis.
Alles andere bleibt „Antifa fürs Regierungsprogramm“ – ungefährlich für das System, wirkungslos für die Bewegung.
Was tun?
- Antifaschismus als gesellschaftliche Praxis von unten stärken.
- Keine Bündnispolitik mit Parteien, die an autoritärem Umbau mitwirken.
- Klimagerechtigkeit als antifaschistische Kernfrage verstehen.
- Fokus auf außerparlamentarische Bewegungen und Widerstandsformen.
- Linke Regierungsbeteiligung kritisch bilanzieren statt verklären.
Autor: Ian Nadge
Hinweis: Dieser Beitrag stellt die Meinung der Autor*in dar und muss nicht mit den Positionen der AKL Niedersachsen übereinstimmen.

