Ein Beitrag von Marc Sträb
Am 20.06.2025 ist ein Antrag in den Kreistag Northeim zur Dauerbeflaggung mit Deutschlandfahnen an allen Schulen und öffentlichen Dienstgebäuden eingebracht worden. Zur weiteren Beratung wurde der Antrag vom Gremium an den Kreisausschuss überwiesen. Der Antrag stammt von der AfD Kreistagsfraktion.
Übertitelt ist dieser mit “Flagge zeigen für Deutschland” und wird wie folgt begründet: Laut der AfD stünden die Nationalfarben der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkt für die Grundwerte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in diesem Land und seien somit ein allgemeines Symbol dafür. Ganz im Konsens mit allen hier lebenden Bürgerinnen und Bürgern. Es wird behauptet, dass die geltenden demokratischen Werte des Miteinanders in der gegenwärtigen Zeit immer weiter verloren gingen. Dagegen hätte die Deutsche Flagge eine Signalwirkung auf die Menschen, würde die gelebte Demokratie sichern und bestärken, auch im Sinne einer nationalen Identität. Das trüge dann dazu bei, den notwendigen gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Bevölkerung zu fördern. So denken die Köpfe der AfD.
Doch kann wirklich ein gesellschaftliches Zusammenrücken auf Grundlage demokratischer, humanistischer und solidarischer Werte durch ein bloßes Hissen der Deutschlandfahne initiiert werden? Die Northeimer Linke meint nein. Mit diesem symbolpolitischen Vorstoß verfolgt die AfD ganz andere Ziele in einer Phase allgegenwärtiger Krisen, der forcierten Militarisierung und zunehmend rassistischer und diskriminierender Politik, die wir in diesem Land beobachten können. Soll die Omnipräsenz der Deutschlandflagge im öffentlichen Raum nicht eher bewirken, dass alle hier Lebenden, jung und alt, wissen mögen, in welchem (oder wessen) Land sie leben, nach welchem Land sie streben und, nicht ausgeschlossen, für welches Land sie bald sterben sollen? Dahingehend muss vermutet und interpretiert werden.
Objektiv betrachtet ist es kein fehlendes Nationalbewusstsein unter den Menschen, das unsere demokratischen Errungenschaften und das soziale Gefüge bedroht. Es sind bewusste politische Entscheidungen, die dazu führen. So die Abschaffung von Grundrechten, wie das Schleifen des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Asyl oder der wachsenden Hürden zur Anmeldung und Durchführung von Demonstrationen, die unser Recht auf Versammlungsfreiheit angreifen. In Wahrheit sind die drohenden Kürzungen im Gesundheitswesen und beim staatlichen Grundsicherungssystem was unseren sozialen Frieden massiv gefährdet!
“Echter sozialer Zusammenhalt”, so der Linke Kreistagsabgeordnete Jan Ebeling, “wächst dort, wo Menschen in Kontakt treten, gemeinsame Erfahrungen machen und kollektiv handeln können. Wie in Vereinen, Begegnungsstätten, im Ehrenamt oder durch Angebote wie inklusive Projekte. Diese Strukturen müssen von der Politik gefördert werden!”
Die AfD will uns glauben machen, Demokratie falle von Bäumen bzw. vom Fahnenmast. Als ob eine funktionierende Gesellschaft und ein Miteinander in einem abstrakten Prozess unter wehenden Flaggen gedeihen würde, zum Wohle aller!
Letztlich ist es so, dass eine von Nationalgefühl geleitete Gesellschaft, sich nicht wirklich solidarisch entwickelt, sondern eine Selbstwahrnehmung in Teilen der Bevölkerung entsteht, das sich in einem “wir” und “die anderen” ausdrückt. Hier schließt sich der Kreis, denn das wiederum passt haargenau zur Ideologie der menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Politik der AfD. Wir wollen hoffen, der Kreisausschuss möge diesen Antrag ablehnen.
Das Beispiel aus der Kleinstadt Northeim ist nur Teil einer bundesweiten Initiative, die die AfD gegenwärtig verfolgt. Von kommunalen Parlamenten bis hin auf Bundesebene. So sieht die AfD Bundestagsfraktion die Deutschlandflaggen auf dem Reichstagsgebäude in ihrer herausgehobenen Stellung durch parallel gehisste “ideologische und weltanschauliche Symbole” in ihrer einzigartigen Bedeutung geschmälert. Gemeint ist die Europaflagge und die in AfD – Kreisen besonders verhasste Regenbogenflagge der LGBTQI+ Community, die zeitweise über dem Reichstagsdach weht[IN1] e. Diese steht besonders für eine offene, solidarische, tolerante und menschenwürdige Gesellschaft. Ganz im Gegensatz zum Weltbild der AfD. Ginge es nach der AfD Bundestagsfraktion, solle diese per Antrag in den Bundestag bald gänzlich verschwinden und schwarz-rot-goldene Ideologie über alles gestellt werden.
Auch in diesem Fall bleibt zu wünschen, die AfD möge damit scheitern, denn es ist leider nicht so, dass die prokapitalistischen Parteien kein großes Interesse an der Rückkehr zum Nationalismus hätten. Schließlich dient er den Herrschenden als Deckmantel und Legitimation ihrer unsozialen, ungerechten, imperialistischen und eigennützigen Politik.
Wir als Linke kämpfen weiterhin auf der Straße wie in den Parlamenten, an der Seite der Unterdrückten und Schwachen, für eine solidarische, internationalistische und fortschrittliche Gesellschaft, in der alle Menschen ein gutes Leben führen können.

