Die Uniform sitzt wieder – aber echt eng

Pünktlich zum Veteranentag kommt die Wehrpflicht, jetzt sogar im Retro-Look

Ein Beitrag von Ian Nadge

Wer einen Anlass braucht, um mit frisch polierten Stiefeln auf offener Straße ein paar schmissige Soldatenlieder zu jaulen, hat nun wirklich Glück. Am 15. Juni wird nun jedes Jahr und ganz offiziell der Veteranentag gefeiert – eine staatlich legitimierte Militärromantik-Feier mit Fahnen und Fanfaren, bei der man sich kollektiv daran erinnert, wie schön es ist, wenn Menschen für geopolitische Fehlentscheidungen geopfert werden. Da darf dann auch der Schulchor nochmal „Ich hatt’ einen Kameraden“ schmettern und die Lokalzeitung titelt: „Heldengedenken statt Bürgergeld“.

Das Warten hat ein Ende: Alle anderen müssen auch nicht mehr lange warten, bis er wieder angeschlichen kommt, wie ein ungeliebter Ex mit Körpergeruch und schlechtem Timing: der Pflichtdienst bei der Bundeswehr. Jahrzehntelang als Relikt aus vordemokratischer Steinzeit belächelt, feiert er jetzt ein Comeback – powered by CDU, SPD und einer Portion postimperialem Größenwahn. Die Bundeswehr ruft … und niemand will hin. Lösung? Klar: einfach Pflicht draus machen. Denn was nicht freiwillig funktioniert, wird eben durchgedrückt. So funktioniert Demokratie 2.0 – jetzt auch in Flecktarn.

Verteidigungsminister Pistorius, der neue Lieblings-Onkel aller Sicherheitsfetischisten, und Lars Klingbeil, der sich offenbar in einem Paralleluniversum für sozialdemokratisch hält, präsentieren stolz ihren neusten Trick: „Wehrdienst, aber cool.“ So eine Art Zivildienst mit Waffe, Drill und Vaterlandsliebe. Natürlich alles „vorläufig“ freiwillig, aber  wenn keiner kommt auch gerne mal mit Staatsgewalt – wie Steuererklärungen oder Polizeikontrollen in linken Hausprojekten.

Reality Check: Wenn der Staat von Freiwilligkeit spricht, sollte man ganz genau hinhören – vor allem, wenn dabei das Wort „Pflicht“ mitschwingt. Die Bundeswehr will keine Freiwilligen. Sie will Kanonenfutter in hipper Verpackung. Verfügungsmasse mit Snapchat-Account. Denn wer meldet sich schon freiwillig bei einem Verein, der zwischen Auslandseinsätzen mit Todesfällen, Korruptionsskandalen und Ausrüstungsdesaster seine Identität sucht wie ein FDP-Politiker seine Überzeugung?

Aber statt in Bildung, Klimaschutz oder Pflege zu investieren – du weißt schon, die Dinge, die eine Gesellschaft zusammenhalten – setzt die Regierung eben auf Stahlhelmromantik. Uniform statt Universitätsplatz. Grundausbildung statt Grundrechte. Toller Tausch!

Die traurige Wahrheit: Die Wehrpflicht ist nicht zurück, weil sie gebraucht wird. Sie ist zurück, weil sich Machteliten nicht vorstellen können, dass man eine Gesellschaft auch durch Vertrauen, Teilhabe und soziale Gerechtigkeit stärken könnte – anstatt durch Zwang, Zähneknirschen und Zielschießen.

Also, liebe Jugend: Packt schon mal die Rucksäcke! Nicht für ein freiwilliges Jahr in einem Gemeinschaftsgartenprojekt oder einer solidarischen Klinik. Nein, für den Schützengraben der neuen Mitte. Wo Fortschritt durch den Rückspiegel betrachtet wird und das Poltern der Stiefel das „Problem der Perspektivlosigkeit“ angeblich lösen soll.

Unser Vorschlag: Statt Zwangsdienst lieber ein Pflichtjahr in politischer Bildung für alle Bundestagsabgeordneten. Thema: Was bedeutet „freiwillig“? Mit anschließender Gruppenarbeit: Wie verhindere ich autoritären Rückfall ohne Stahlhelm?

Autor: Ian Nadge

Hinweis: Dieser Beitrag stellt die Meinung der Autor*in dar und muss nicht mit den Positionen der AKL Niedersachsen übereinstimmen.

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